Leben in Groß-Umstadt

Städtepartnerschaft

Verschwisterungskomitee erhält Urkunde für ausgezeichnete Arbeit

Verschwisterungskomitee erhält Urkunde für ausgezeichnete Arbeit

Staatssekretär Uwe Becker in Groß-Umstadt

Als Staatssekretär für Europaangelegenheiten bereist Uwe Becker derzeit die Kommunen Hessens, um diese in Verschwisterungsangelegenheiten zu begleiten und Eindrücke zu sammeln, welche Gemeinde oder Stadt ihre Verschwisterungen wie gut lebt.

Bürgermeister René Kirch, als Präsident des Verschwisterungskomitees, sowie der Magistrat der Stadt Groß-Umstadts und die führenden Vertreter der jeweiligen Verschwisterungsabteilungen empfingen den Staatssekretär für Europaangelegenheiten am 15. August im Rathaus. Er habe die Verschwisterungen der Stadt als etwas ganz besonders kennengelernt und lebe Sie selber mit Leidenschaft, sagte der Bürgermeister zu Beginn.

Erste Stadträtin Miriam Mohr begrüßte Staatssekretär Becker als Mitglied im Vorstand der portugiesischen Abteilung des Verschwisterungskomitees der Stadt Groß-Umstadt. Sie verdeutlichte, dass das Verschwisterungskomitee zwar ein eigener Verein sei, aber der Bürgermeister traditionell der Präsident des Komitees ist und die Verschwisterungsarbeit dadurch auch eng mit der Verwaltung verbunden.

Ebenfalls begrüßt wurde Staatssekretär Becker von Ingrid Grubmüller, Geschäftsführerin der italienischen Abteilung, Reinhold Schmidgall, Geschäftsführer der französischen Abteilung, Marcel Zurmöhle, Geschäftsführer der Jugendabteilung, Saskia Merker, stellv. Geschäftsführerin der portugiesischen Abteilung, sowie den Magistratsmitgliedern der Stadt Groß-Umstadt.

Umstadt lebt und liebt Europa

Das Thema Verschwisterung wird in Groß-Umstadt sehr intensiv gelebt und ist dadurch eine sorgsam gepflegte Erfolgsgeschichte. Die drei Abteilungen, welche sich jede mit viel Hingabe um „ihre“ Partnerstadt kümmern, sorgen dabei dafür, dass keine Partnerstadt weniger Aufmerksamkeit erhält als die anderen beiden.

An dieser Stelle wird betont, dass die Besuche zwar wichtig seien, das Hauptaugenmerk liege allerdings auf dem europäischen Gedanken und dass man diesen in die Bevölkerung trägt und an die Jugend weitergibt, damit niemals vergessen wird, dass Europa mehr ist als nur eine Institution. Eine Gemeinsamkeit der vier Städte Groß-Umstadt, Saint-Péray, Santo Tirso und Dicomano ist dabei der Weinanbau. Den guten Wein haben alle gemeinsam und aus diesem Grund dürfen auf dem Winzerfest auch nur Weine aus diesen 4 Städten verköstigt werden.

Die Verschwisterung mit Portugal weist dabei bereits eine sehr lange Tradition auf, so sind das Johannisfest mit seinen Girlanden und Ständen, an welchen man zahlreiche portugiesische Spezialitäten probieren kann, der größte portugiesische Club außerhalb Portugals, der portugiesische Fußballverein mit eigenem Vereinsheim und die portugiesischen Trommler „Die roten Teufel“ nicht mehr aus Groß-Umstadt wegzudenken. Das Anwerbeabkommen, welches im kommenden Jahr sein 60-jähriges Jubiläum feiert, bildet die Basis der sehr zahlreichen portugiesischen Umstädter. Sehr viele Bürger Groß-Umstadts sind stolz auf ihre portugiesischen Wurzeln und stammen auch zumeist aus der näheren Umgebung unserer Partnerstadt Santo Tirso. Im Juli fand die jährliche Reise nach Santo Tirso mit einer 16-köpfigen Delegation aus Groß-Umstadt statt. Zum Winzerfest findet der Gegenbesuch statt. Santo Tirso ist – nach Saint-Péray – die zweitälteste Partnerstadt. Sie ist die größte Stadt im Umkreis, gleichzeitig die Kreisstadt und hat ganze neun Partnerstädte und ist ebenfalls mit Saint-Péray verschwistert. 

Ingrid Grubmüller, Geschäftsführerin der italienischen Abteilung, berichtet vom Fest „La Familia“: Traditionell helfen alle Abteilungen des Komitees beim Johannisfest mit. Für diese und ihre Familien wird als Dankeschön ein Treffen organisiert, bei welchem die italienische Lebensart und das gute Essen gefeiert werden.

Auch berichtet sie, dass die Reise nach Dicomano mit dem Bus immer wieder eine Herausforderung sei, immerhin sind etwa 1.000 Kilometer zu überwinden. Aber die Reise wäre es immer wieder wert, denn dort anzukommen hieße immer wieder „nach Hause zu kommen“.

Saint-Péray ist die älteste Partnerstadt Groß-Umstadts. Eine Partnerschaft, die einst mit einer Radtour begann, als eine Gruppe aus Groß-Umstadt bis ins französische Saint-Péray geradelt ist. Der Sohn einer der Fahrradpionierinnen hat vor Kurzem darüber im Max-Planck-Gymnasium einen Vortrag gehalten, wodurch eine Gruppe Schüler auf die Idee gekommen ist, diese Radtour zu wiederholen. Gestartet sind sie in Saint-Péray, gelandet sind sie in Groß-Umstadt.

Reisen nach Frankreich oder Italien sind noch verhältnismäßig einfach zu organisieren, eine Reise nach Santo Tirso wird dagegen – alleine schon durch die Entfernung und der Nutzung von Flugzeugen - gleich um ein Vielfaches teurer. Wie sehr die Reisen uns mit unseren Partnerstädten verbinden können, wird deutlich, wenn man sieht, wie Menschen einander näherkommen. So war z. B. ein ehemaliger Stadtrat Groß-Umstadts mit einer Französin verheiratet, welche viele Jahre – bis zu ihrem Tod – als sehr beliebte Stadtverordnete und Ortsbeiratsmitglied für die Bürgerinnen und Bürger engagiert war und stets als Beispiel für die ausgezeichnete Verschwisterung zwischen Groß-Umstadt und Saint-Péray geworben hat. Nach ihr wurde der Joëlle-Ritter-Platz in Groß-Umstadt benannt.

Auch konnte die Stadtverwaltung Groß-Umstadt eine ehemalige Mitarbeiterin der Stadt Saint-Péray für sich gewinnen, welche hier eine neue Heimat gefunden hat und - nachdem sie bereits in Saint-Péray Weinkönigin war - von 2017 bis 2018 sogar Weinkönigin von Groß-Umstadt war.

Nachwuchs für Verschwisterungsabteilungen wird gesucht

Die einzelnen Verschwisterungsabteilungen arbeiten inzwischen aber auch viel zusammen, denn ein vorrangiges Problem in der Verschwisterungsarbeit besteht in der Überalterung der Mitglieder, es wird immer schwieriger, junge Bürgerinnen und Bürger zu finden, welche in unserer hektischen Zeit die Zeit und die Motivation finden, sich des sehr wichtigen Themas der Verschwisterung mit all seinen Aufgaben anzunehmen. Umso mehr freut es die französische Abteilung, dass sie gerade mit Felix Werdan einen jungen und motivierten neuen Stammtischleiter finden konnten.

Besonders problematisch für den Nachwuchs in der Verschwisterungsarbeit ist es, das Geld für die Reisen in die Partnerstädte aufzubringen. Wobei diese Reisen ausgesprochen wichtig sind, denn wer einmal dort war, das Land und die Leute kennengelernt hat, der findet auch dort neue Freunde. Die Eindrücke prägen die Menschen und bringen einander näher, wodurch auch die Motivation erhöht wird, bei Festen zusammen zu arbeiten und zu feiern. Aber auch die Ferien, welche in den verschiedenen Ländern zu ganz verschiedenen Zeiten stattfinden, machen die Planungen für Reisen der Jugendlichen sowie von Familien mit Kindern nicht einfacher.

Frankreich bietet sich auch als Reiseziel für Austauschschüler hervorragend an, da französisch – nach englisch – die zweithäufigste Fremdsprache an deutschen Schulen ist. Eine Reise nach Italien wäre dagegen für Lateinschüler möglich. Portugiesisch wird dagegen an deutschen Schulen so gut wie gar nicht unterrichtet, wodurch die Möglichkeit einer Austauschreise nach Portugal eher gering sind. Umgekehrt sieht es dagegen anders aus, so gehört Deutsch in Portugal zum Stundenplan und die Schüler können auch hierherreisen.

Alle drei Partnerstädte besuchen Groß-Umstadt zeitgleich zum jährlichen Winzerfest. Immer freitags findet der Empfang der Partnerstädte statt und samstags krönen die französischen Weinhoheiten die neuen Groß-Umstädter Weinhoheiten.

Beim Festumzug dürfen die Gruppen aus den Partnerstädten nicht fehlen und auch die portugiesischen Trommler sind ein traditioneller – und weithin hörbarer – Bestandteil des Festumzuges und bereits zu einem Wahrzeichen Groß-Umstadts geworden, welches auch überregional Bekanntheit erlangen konnte.

„Wenn man der Verschwisterung zugeneigt ist, dann lebt man dies auch!“ erklärt Saskia Merker, stellv. Geschäftsführerin der portugiesischen Abteilung des Verschwisterungskomitees. Der Geschäftsführer der Jugendabteilung, Marcel Zurmöhle, erklärt: „Man kommt zusammen, so entstehen Freundschaften.“ Bürgermeister René Kirch fügt hinzu: „Wir wollen den europäischen Gedanken vor Ort haben, aber auch in den Partnerstädten. Dies muss aber auch finanziert werden, da wäre es gut, wenn EU-Gelder auch so verteilt würden, dass diese so wichtige Verschwisterungsarbeit an der Basis unterstützt würde!“

Staatssekretär Becker erklärt: „Europa als Gemeinschaft ist nicht selbstverständlich. Aber eine Sache habe ich hier festgestellt. Groß-Umstadt lebt und liebt Europa. Bei der Verschwisterungsarbeit gehört Groß-Umstadt mit zu den Städten, die ganz oben dabei sind und dies ist sehr erfreulich.“

Für ihn ist es bei seiner Reise durch die Städte und Kommunen wichtig, den Austausch zu suchen zu erkennen, wo Hilfe in der Verschwisterungsarbeit nötig sei und Tipps aus anderen Städten weiterzugeben. Er wüsste aber kaum eine Stadt in Hessen, welche mit ihren Partnerstädten so viel zusammen arbeitet und feiert. Der Staatssekretär erklärt: „Europa wird so selbstverständlich hingenommen, dass sich viele fragen, wofür man das denn macht, wer aber nicht in Europa vernetzt ist, ist viel anfälliger dafür, Europa abzulehnen mit all seinen Freiheiten, für die wir in den letzten Jahrzehnten gekämpft haben. So ist es heute kaum noch vorstellbar, dass man bei einer Fahrt nach Frankreich oder Italien lange an Grenzen stehen musste, um diese zu überwinden. Reisen innerhalb Europas wurden einfach und unkompliziert, all dies ist ein Verdienst des gemeinschaftlichen Gedankens Europa.“ Eines seiner Ziele ist es, sich dafür einzusetzen, dass sich die Städte und Kommunen an der Verschwisterungsarbeit beteiligen, denn dort, wo sie nicht beteiligt seien, wäre es um ein Vielfaches schwerer für die Vereine, gut arbeiten zu können. Auch hier lobt er Groß-Umstadt. Eine Politik, welche sich gegen Europa richtet, würde in den letzten Jahren immer populärer, Groß-Umstadt sei an dieser Stelle ein leuchtendes Beispiel für das Europanetzwerk Hessen, von welchem die Stadt ein Teil ist. Er wird Groß-Umstadt auch als Beispiel für andere Städte und Kommunen nennen, bei denen die Verschwisterung nicht so gelebt wird, wie es hier bereits seit vielen Jahrzehnten üblich ist.

Als Bitte an den Staatssekretär wurde der Wunsch nach weniger Bürokratie genannt, so machen es umfangreiche Formulare den Mitgliedern der Verschwisterungskomitees nicht einfacher, Zuschüsse zu beantragen.

Als Zeichen der guten Verschwisterungsarbeit überreichte Staatssekretär Becker im Anschluss dem Bürgermeister als Präsidenten des Verschwisterungskomitees sowie der Ersten Stadträtin Miriam Mohr eine Urkunde für die ausgezeichnete Verschwisterungsarbeit.